Eine Veranstaltung des Förder- und Freundeskreises des LTG vom Juni 2022
Die Hochschulprofessoren Harald Lesch und Christian Holler referierten in Prien über erneuerbare Energien und den Klimawandel.
Klar wird dabei: Jeder Einzelne kann etwas tun.

Vielen herzlichen Dank an Elisabeth Kirchner (OVB) und Hans Fritz (Samerberger Nachrichten) für die Erlaubnis zur Verwendung der Bilder und Texte

Harald Lesch und Christian Holler

Dem Themenkomplex erneuerbare Energien widmeten sich die beiden Naturwissenschaftler Professor Harald Lesch und Professor Christian Holler in einem Vortrag im voll besetzten König-Ludwig-Saal. Eloquent und dennoch verständlich zeigten die beiden Forscher, was es gibt, was möglich und sinnvoll ist im Bereich erneuerbare Energien, und wie jeder einzelne zum Energiesparen beitragen kann.

Holler, ein geborener Rimstinger und ehemaliger LTG-Absolvent, heute Professor für Ingenieurwissenschaften und Mechatronik an der Hochschule München, und Lesch, Professor für Astrophysik an der Ludwig Maximilian Universität (LMU) und einer der bekanntesten Naturwissenschaftler Deutschlands, deuteten Zahlenmaterial und Grafiken über die Entwicklung unserer von Menschen gemachten Klimaveränderung. Dabei räumten sie mit dem gängigen Argument der Klimaleugner, „Klimaveränderungen hat es immer schon gegeben“, schon zu Anfang auf, indem sie an Schautafeln die Geschwindigkeit der Erwärmung seit dem Ende der Eiszeit und den extrem hohen Anstieg ab Beginn des Industriezeitalters ab 1850 darstellten. Nicht nur wir Menschen, sondern die gesamte Evolution kann sich bei dieser Geschwindigkeit nicht schnell genug umstellen, weshalb derzeit so viele Tiere und Pflanzen aussterben.

Die Schautafel zeigt, wo wir jetzt stehen und wo es hinführt, wenn wir nichts dagegen tun.

Energie ist Leben.

Ohne die Energie, die uns seit Millionen von Jahren die Sonne schickt, gäbe es kein Leben. Wie hoch Energie einzuschätzen ist und welche Energiedichte uns dadurch zur Verfügung steht, wird an einem Beispiel sichtbar. „Wenn man 10 Stunden mit dem Fahrrad auf dem Heimtrainer strampelt, erzeugen wir eine Kilowattstunde (kWh) Energie. Wir Deutschen verbrauchen aber pro Kopf im Durchschnitt 120 kWh am Tag. Damit liegen wir doppelt so hoch wie der Weltdurchschnitt. Tatsächlich wären wir aber noch höher, weil wir so viele Waren importieren, die im Herstellungsland bei der Produktion Emittieren und dem Erzeugerland zugerechnet werden. Z. B. China, die aber pro Kopf mit 70 kWh täglich deutlich unter dem deutschen Durchschnitt liegen.

Ebenfalls eine kWh pro Tag erzeugen wir mit 2 m² Fotovoltaik auf dem Dach und 4 m² in der Fläche, 16 m² mit einem Windpark an Land und 8 m² auf dem Meer, mit Pflanzen brauchen wir 100 bis 200 m².

Der Wasserspiegel steigt nicht, wenn das Meereis schmilzt.

Von der weißen Oberfläche des Meereiseses werden die Sonnenstrahlen zurückgeworfen. Wenn es geschmolzen ist, dann trifft die Sonne auf dunkelblaues Wasser das die Wärme nicht reflektiert, sondern sich aufheizt. In der Folge steigt die Temperatur an und um die Pole überproportional schneller als in anderen Gegenden der Erde, wodurch das Landeis über Grönland und der Antarktis ebenfalls schneller schmilzt. Ist alles abgeschmolzen, liegt der Meeresspiegel um 66 m höher.

Rückgang des Meereises seit 1981
So würde sich die Landkarte durch den 66 m höheren Meeresspiegels verändern.

Stromverbrauch von Elektroautos

Wenn alle 48 Millionen Autos in Deutschland von Verbrenner- auf Elektromotoren umgestellt würden, dann bräuchten wir um 20 % mehr Strom. Gerechnet auf den Gesamtenergieverbrauch sind es nur 4 %.

Der Stromverbrauch stiege bei 100 % Elektroautos von 19 % auf 23 % des Gesamtenergieverbrauchs

Was ist die Lösung?

Weil auch Industrieprozesse verstromt werden und Heizung mit Strom funktionieren muss, müsste sich die Energiemenge aus erneuerbaren Quellen verdreifachen.

Holler erläuterte weiter, was erneuerbare Energien aus Sonne, Wasser oder Erdwärme energietechnisch schaffen und wie sie sich im Vergleich untereinander bewerten lassen. Viele einzelne Lösungen wie Geothermie, Gezeiten oder Biomasse funktionieren nur in begrenztem Maße und an bestimmten Orten. „Es gibt viel Potenzial, wir müssen es nur richtig nutzen.“

An erster Stelle stehen dabei die Fotovoltaik und die Windenergie.

Wir können bis 2045 unsere gesamte Energie alternativ erzeugen. Hierzu müssen wir ca. die Hälfte unseres derzeitigen Energieverbrauches einsparen. Im Gegenzug müssen wir die Fotovoltaik auf das ca. 7-fache des heutigen Ausbaustandes erweitern. Zusätzlich müssen pro Jahr 2000 Windräder gebaut werden, d.h. die Ausbauraten pro Jahr werden mindestens verdreifacht.

Das ist machbar! Wenn wir uns anstrengen, dann schaffen wir die Energieneutralität bis 2045.

Argumente was in Zukunft auf uns zukommt

Prof. Holler entkräftigte zum Abschluss das gängige Argument mit einem witzigen Beispiel: „Was kann ich als Einzelner schon tun.“
Er sagte: „Ich habe an den Finanzminister geschrieben, dass ich meine Steuerzahlung jetzt einstellen werde, weil sie im Verhältnis so gering ist, dass es für den Bundeshaushalt überhaupt keine Rolle spielt!“

Anschließende Diskussion

Die Fragen aus dem Publikum ließen nicht lange auf sich warten, mit dem Tenor: Wie schaut es aus mit der Kernfusion, mit Wasserstoff und mit Energiespeicher-Möglichkeiten und bringen Öl-Embargos etwas?

Russland werde auch nach dem Krieg Teil von Europa sein, und die Politik dürfe sich nicht nur von der Ökonomie diktieren lassen, meinte Professor Lesch. Bezüglich Kernfusion sei die Technik noch nicht so weit. Und: Wasserstoff sei keine Energiequelle, sondern müsse erst aufwändig mithilfe elektrischer Energie hergestellt werden.

Professor Holler beschrieb große Solarparks in Wüstengegenden als vielversprechend, erklärte aber, dass man diese Energie nicht exportieren solle. Schließlich sollte der gleiche Lebensstandard allen Ländern zugebilligt werden.

Die beiden Wissenschaftler mahnten: „Wir alle sind für unser Handeln verantwortlich.“ Es brauche eine Energiewende von unten, beispielsweise in Form von Energiegenossenschaften. Wenn Bürger selbst vor Ort den Ausbau der Erneuerbaren vorantreiben und dafür steuerlich gefördert würden, sei das auch psychologisch von Vorteil.

Lesch: „Wer selbst Besitzer von einem Anteil einer solchen Anlage ist und damit Geld verdient – für den sieht so ein Windrad ganz anders aus als vorher. Dann wird es richtig schön.“

Anhang

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